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Werte im Sport

In deiner Sportgruppe kommen Menschen zusammen, um ihre Freizeit miteinander zu verbringen. Und selbstverständlich möchtest du, dass die Gruppenmitglieder dabei harmonisch miteinander umgehen, sodass alle gerne zu deinem Sportangebot kommen. Grundlage für ein gelingendes Zusammenleben sind gemeinsame Werte, die das Verhalten in der Gruppe bestimmen.

Schwierig wird die Situation, wenn in der Sportgruppe Konflikte aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die richtigen Werte auftreten. Dann bist du als Übungsleiter*in gefragt, die Meinungsverschiedenheiten zu klären.

Beispiele: Dürfen Gruppenmitglieder die Übungsleiter*in und Leistungsträger*innen offen kritisieren? Oder ist ein solches Verhalten respektlos, weil es die Autorität untergräbt? Müssen sich neue Gruppenmitglieder an die bestehenden Regeln und Gepflogenheiten anpassen? Oder muss sich das Zusammenleben in der Gruppe verändern?

Hier erfährst du, warum es wichtig ist, Werte im Sport zu vermitteln, welche Werte dies sind und wie du sie vermitteln kannst. Du lernst, welche Gefahren von Werte-Konflikten in deiner Sportgruppe ausgehen, wie du solche Konflikte erkennen und welche Strategien du für den Umgang mit diesen Konflikten anwenden kannst.

Warum solltest du in deiner Sportgruppe Werte vermitteln?

Das Zusammenleben von Menschen wird durch Gesetze und Regeln strukturiert – auch im Sport, etwa durch Satzungen oder Regelwerke. Doch nicht jede Situation lässt sich damit eindeutig klären. In solchen Fällen geben Werte Orientierung.

Werte sind Überzeugungen darüber, was als moralisch richtig oder falsch gilt. Sie prägen unsere Identität und Kultur, können sich aber durch Bildung und persönliche Entwicklung verändern. Gemeinsame Werte sind besonders im Sport wichtig: Sie helfen, Konflikte zu lösen, wenn klare Regeln fehlen.

Als Übungsleiter*in solltest du darauf achten, dass deine Gruppe ähnliche Werte teilt. Das stärkt nicht nur den Zusammenhalt, sondern auch die Gesellschaft insgesamt – denn wer Werte im Sport lebt, trägt zu Demokratie und Freiheit bei.

Doch welche Werte sind die richtigen?

Orientierung bieten dir hierbei zum Beispiel die Leitbilder des DOSB und des LSB NRW:

„Wir orientieren uns an Werten und handeln nachhaltig, transparent und unabhängig. Die Integrität des Sports ist unser höchstes Gut. Werte wie Ehrlichkeit, Fair Play und Respekt gelten im Sport und leiten unser selbstbestimmtes und demokratisches Handeln. Wir gehen verantwortungsvoll und nachhaltig mit unseren Ressourcen um – sozial, ökonomisch und ökologisch. Wir setzen uns für einen doping- und korruptionsfreien Sport ein. Daher pflegen wir die innerverbandliche Demokratie, sichern die Autonomie des Sports, setzen auf die Prinzipien von Good Governance und bekennen uns zum Leitbild der Nachhaltigkeit“ (DOSB).

„Auf Grundlage der Werte Freiheit, Solidarität, Chancengleichheit, Fairness und Toleranz leistet der Sport einen unverzichtbaren Beitrag zu einer aktiven Bürgergesellschaft sowie zur Orientierung und Lebensqualität der Menschen“ (Leitbild LSB, S. 8)

In beiden Leitbildern wird die Mündigkeit als besonders wichtiger demokratischer Wert herausgestellt. Mündigkeit meint hier, im Sport selbstbestimmt und solidarisch zu handeln: Alle Menschen sollen das Zusammenleben im Sport aktiv mitgestalten und diese Mitgestaltung insbesondere auch jenen ermöglichen, deren Stimme ohne entsprechende Unterstützung untergehen würde.

Wie kannst du Werte vermitteln?

Wertevermittlung zielt auf die Entwicklung von Überzeugungen. Es kann dir also nicht genügen, wenn sich die Mitglieder deiner Sportgruppe nur angepasst verhalten, weil du das von ihnen erwartest und eine entsprechende Disziplin durchsetzt.

Die Teilnehmer*innen müssen sich vielmehr mit den Werten identifizieren und sie deshalb von sich aus leben wollen. Es geht in diesem Sinne um die grundsätzliche Einstellung der Menschen, die du beeinflussen möchtest. Für eine so verstandene Wertevermittlung musst du in deiner Sportgruppe die Diskussion über Werte fördern. Die Teilnehmer*innen sollen darüber nachdenken und miteinander ins Gespräch kommen, welche Werte ihnen wichtig sind. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, ob die eigenen Werte zu den Werten des organisierten Sports passen: Wie steht die Gruppe zu Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität?

Achte bei solchen Diskussionen unbedingt darauf, dass auch hier die Mündigkeit der Teilnehmer*innen bewahrt bleibt: Sie dürfen selbst entscheiden, welche Werte sie für sich annehmen möchten und welche Werte sie ablehnen. Es geht nicht darum, konkrete Werte in die Köpfe der Menschen zu pflanzen, sondern vielmehr darum, ihre reflektierte Urteilsfähigkeit zu fördern.

Was bedeuten Wertekonflikte für deine Sportgruppe?

In einer Gesellschaft, die durch Vielfalt gekennzeichnet ist, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, welches Verhalten moralisch richtig ist. Vielfalt ist also auch eine Werte-Vielfalt. Das ist für das Zusammenleben eine Herausforderung und gleichzeitig eine Chance, auch im Sport. Wo unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinandertreffen, da kommt es schnell zu Wertekonflikten.

Zuerst kannst du das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Wertvorstellungen in deiner Sportgruppe als Chance auffassen: Es bietet dir die Gelegenheit, die Teilnehmer*innen zur Diskussion über die Werte und deren Vielfalt anzuregen. Wertekonflikte sind insofern immer ein guter Anlass für die Wertevermittlung (s. o.).

Gleichzeitig können Wertekonflikte für deine Sportgruppe gefährlich werden, da sie sich leicht ausweiten können.

  • Einbeziehung weiterer Gruppenmitglieder (Stufe 1 der Eskalation): Jedes Gruppenmitglied, das sich zu dem Konflikt äußert, wird in ihn hineingezogen. Personen, die sich nicht äußern möchten, werden direkt angesprochen und so ebenfalls zu einer Stellungnahme genötigt. Es gilt der Grundsatz: Wer nicht meiner Meinung ist, der ist gegen mich. Innerhalb der Meinungslager bestärken sich die Mitglieder jeweils in ihrer Position über die richtigen Werte.
  • Ausweitung des Konflikt-Gegenstands (Stufe 2 der Eskalation): Das Verhalten der Gegenpartei wird zunehmend kritisch beobachtet und dabei moralisch beurteilt. Es wird nach Fehlern der Gegenpartei gesucht. Insbesondere durch den Einbezug weiterer Gruppenmitglieder entstehen so immer weitere Konfliktpunkte und Bestätigungen für die „moralisch verwerfliche“ Art der Gegenpartei.
  • Anstieg der Aggressivität (Stufe 3 der Eskalation): Die Gegenpartei wird immer mehr als Beeinträchtigung des eigenen Sporttreibens wahrgenommen: „Früher war alles gut, heute wird uns die Stimmung verdorben.“ Dies führt zu einem Anstieg der Aggressivität, um die Gegenpartei zum Einlenken zu bewegen und die alte Situation wiederherzustellen, in der das Sporttreiben und nicht der Konflikt im Mittelpunkt stand. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Es entwickelt sich eine Gewaltspirale aus Beleidigungen, Drohungen, Einschüchterungen und Schikanierungen.

Erkennen eines Wertekonflikte und Umgang mit Konflikten?

Leider sind Wertekonflikte nicht immer leicht zu erkennen. Das „Eisbergmodell“ will erklären, woran das liegt. Der kleinere (aus dem Wasser ragende und damit sichtbare) Teil des Eisbergs steht für Verhalten, Sprechen, Kleidung etc. (vgl. Abbildung 17). Der größere (nicht sichtbare) Teil liegt unterhalb der Wasseroberfläche und steht unter anderem für die Werte. Missverständnisse und Konflikte können somit leicht entstehen, da die Werte selten direkt beobachtbar sind, sondern sich meistens nur indirekt in einem Verhalten zeigen.

Nicht jeder Konflikt ist gleich ein Wertekonflikt. Manchmal geht es auch nüchtern um die Sache. Aber es gibt bestimmte Merkmale, die klar auf einen Wertekonflikt hindeuten. Wenn du die folgenden Merkmale am oberen Ende des „Eisbergs“ beobachtest, dann handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Wertekonflikt:

  • Emotionalität: Wertekonflikte greifen das an, was persönlich als wertvoll, gut und richtig erscheint. Sie berühren die Gefühlsebene. Die betroffenen Personen sind entsprechend persönlich angefasst und reagieren mit Verachtung. Es gibt keine vernünftigen Argumente für die eigenen Überzeugungen. Daher bleibt im Wesentlichen nur, der eigenen Empörung durch eine starke Emotionalität Nachdruck zu verleihen.
  • Auf den Menschen als Ganzes bezogen: Bei Wertekonflikten zeigt sich eine grundsätzliche Antipathie bzw. Abneigung zwischen den Streitparteien. Aus dem ursprünglich vielleicht nur kleinen Streitpunkt leiten die Streitparteien ab, dass die Gegenpartei insgesamt einen schlechten Charakter hat („Das ist ein Mensch, mit dem ich generell möglichst nichts zu tun haben will – und dieser Konflikt bestärkt mich in meiner Meinung.“)

Welche Strategien hast du für den Umgang mit eskalierenden Wertekonflikten?

Je nach Eskalationsstufe des Konflikts solltest du unterschiedliche Strategien einsetzen:

Bei einem Konflikt, der nach deiner Einschätzung noch auf einer niedrigen Eskalationsstufe steht, kann es dir helfen, bei den betreffenden Personen ein Nachdenken über das eigene Verhalten anzuregen, zum Beispiel, indem sie sich in die Position der Gegenpartei hineinversetzen. Die Konfliktparteien sollen benennen, hinsichtlich welcher Werte sie uneins sind und welche Konsequenzen das für ihr Sporttreiben hat. Nutze dabei Formen der Gewaltfreien Kommunikation und berücksichtige die große Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen. Zudem kannst du eine neutrale Person hinzuziehen, die den Beteiligten hilft, sich mit den unterschiedlichen Wertvorstellungen zu befassen. Es geht dabei einerseits darum, die eigene moralische Urteilsfähigkeit zu entwickeln (s. o.: Wertevermittlung) und andererseits eine Vereinbarung zu finden, mit dem alle Beteiligten einverstanden sind. Das braucht Veränderungsbereitschaft und Toleranz auf beiden Seiten. Dabei meint Toleranz, die Duldung bzw. das Ertragen anderer Überzeugungen, nicht aber deren Übernahme.

Wenn dir für den Konflikt eine Einigung nicht mehr realistisch erscheint, dann brauchst du für die Rettung deiner Sportgruppe eine hierarchische Entscheidung: Eine der Streitparteien muss das Sportangebot dauerhaft verlassen. Diese drastisch erscheinende Maßnahme ist gerade bei Wertekonflikten durchaus zu berücksichtigen, denn Kompromisse sind hier meist schwierig zu finden. Immerhin prallen bei Wertekonflikten unterschiedliche Überzeugungen aufeinander und es droht für beide Parteien bei zu großen Zugeständnissen der Verlust der jeweiligen Identität und Kultur („das Gesicht verlieren“). Hole dir für die hierarchische Durchsetzung am besten Rückendeckung, zum Beispiel durch den Vereinsvorstand.

Dieser drastische Schritt kann bei Wertekonflikten manchmal notwendig sein, da Werte tief in den Menschen verwurzelt und fundamental für ihre Persönlichkeit sind. Dies macht sie anders als Konflikte, die auf anderen Ursachen beruhen. Grundsätzlich solltest du jedoch immer nach einer Lösung suchen – das Verlassen einer Sportgruppe sollte stets der letzte Ausweg sein.

Quellen:

Praxismodul B der C-Lizenz Praxiswissen Sport Für Übungsleiter*innen

Kovar, 2023
Thiel, 2023
Ruin & Stibbe, 2021
Standop 2020
Walter & Matar, 2018
Mahlmann, 2016
Schierz, 2012
Luhmann, 1997

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