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Best Practice

Umgesetztes Projekt: Turn-Crowd (Finanzierung einer Tumblingbahn für die Leistungsriege Turnen per Crowdfunding)

Interview mit Mariella Lüpfert (Trainerin in der Turnabteilung des TSV 1887 Schloss Neuhaus e.V.) und Thomas Raschper (hauptamtlicher Sportmanager beim TSV 1887 Schloss Neuhaus e.V.)

Warum wurde die Maßnahme umgesetzt?

Kurz vor Weihnachten 2021 haben wir in der Turnabteilung überlegt, welche neuen Sportgeräte wir anschaffen wollen. Entschieden haben wir uns für eine Tumblingbahn zum Preis von 7.595 €. Da dieser Betrag nicht aus Eigenmitteln zu finanzieren war, haben wir uns nach Alternativen umgeschaut. Dabei wurde die Idee geboren, auf Crowdfunding zu setzen. Beim Crowdfunding nutzt man einen digitalen Marktplatz, um Unterstützer*innen zur Finanzierung eines Vereinsprojektes zu gewinnen. 

Welches Ziel hatte das Projekt?

  • Finanzierung einer Tumblingbahn für die Leistungsriege Turnen

Wie erfolgte die Umsetzung?

Wir haben recherchiert, welche Crowdfunding-Marktplätze es gibt. Überzeugt hat uns fairplaid, weil sich diese Plattform auf die Finanzierung von Sportprojekten im Internet spezialisiert hat. Darüber hinaus kooperieren der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Turnerbund (DTB) mit fairplaid. Der DTB hat mit der Turncrowd eine Plattform für seine Vereine geschaffen, um Turn-Projekte online zu finanzieren.

Nach der Recherche haben wir fairplaid kontaktiert. Dort wurden wir fundiert beraten. Das war sehr hilfreich, denn wir hatten keinerlei Erfahrung mit Crowdfunding. Bei fairplaid hat man sich sehr viel Zeit für uns genommen. Wir haben viele praktische Tipps bekommen, wie man eine Crowdfunding-Kampagne zum Erfolg führt. Das war eine sehr gute Grundlage für den Start unserer Initiative, die sich in drei Schritte einteilen lässt.

1. Start-/Konzeptionsphase

Als Erstes haben wir auf fairplaid.org eine Projektseite eingerichtet. Dort haben wir dargestellt, worum es bei unserem Projekt geht. Wir haben beschrieben,

  • was mit dem gesammelten Geld bei Erfolg passiert
  • wieso wir eine Tumblingbahn brauchen
  • welche Geldsumme wir zur Finanzierung der Tumblingbahn benötigen (Wird diese Fundingsumme nicht erreicht, erhalten die Unterstützer*innen ihren Förderbetrag ohne Abzüge zurück; es gilt das Alles oder Nichts-Prinzip)
  • von wann bis wann man das Projekt unterstützen kann
  • wer im Verein Ansprechpartnerin für das Projekt ist
  • welche Gegenleistungen (Dankeschöns) man als Unterstützer*in bekommt
  • wann man eine Spendenquittung bekommt (eine Spendenquittung erhält man nur, wenn das Projekt ohne Gegenleistungen unterstützt wird)

Bei den Dankeschöns („Prämien“) haben wir unterschieden zwischen

  • vereinseigenen Prämien (z.B. Vereins T-Shirts, Video-Botschaften des Vereins) und
  • Prämien von fairplaid

Auch zwei Videos und Fotos von der Turnabteilung und der Tumblingbahn haben wir auf der Projektseite eingestellt.

Bevor die Projektseite freigeschaltet wurde, haben wir das Projekt im Verein bekannt gemacht. Der Fokus lag zunächst auf der Turnabteilung. Wir haben den Kindern der Turnabteilung und deren Eltern in persönlichen Gesprächen erklärt, was Crowdfunding ist, was wir finanzieren wollen und wie man sich daran beteiligen kann. Anschließend haben wir unsere Mitglieder mit regelmäßigen Instagram-Postings, über unsere Homepage und per WhatsApp-Statusmeldungen über den Start unseres Projektes informiert. Darüber hinaus haben wir eine Pressemitteilung an die lokale Presse verschickt und Unternehmen direkt angesprochen, uns zu unterstützen.

2. Fundingphase

Vom 21.12.21 bis 24.01.22 konnte man sich auf unserer Projektseite als Unterstützer*in registrieren und festgelegen, mit welchem Betrag man sich beteiligen möchte. Außerdem konnten die Unterstützer*innen entscheiden, ob und wenn ja, welches Dankeschön sie im Erfolgsfall erhalten wollten. Je höher der Unterstützungsbetrag, umso wertiger war das Dankeschön.

Zu Beginn der Fundingphase habe sich viele Unterstützer*innen registriert. Während der Weihnachtsferien ging die Zahl der täglich neu registrierten Unterstützer*innen deutlich zurück. Kurz vor Ende der Fundingphase kam noch einmal Bewegung rein, so dass wir unser Fundingziel bereits einige Tage vor Ende erreicht haben.

Auch während der Fundingphase haben wir kontinuierlich über das Projekt informiert. Wir haben alles dafür getan, dass es nicht in Vergessenheit gerät und dazu alle unsere Kommunikationskanäle genutzt.

3. Kampagnenabschluss

Wenige Wochen nach dem Ende der Fundingphase wurde die Fundingsumme abzüglich einer Servicegebühr von fairplaid an uns überwiesen.

Wir haben von fairplaid eine Liste aller Unterstützer*innen erhalten. Dort konnte man sehen, wer, welches Dankeschön ausgewählt bzw. auf eine Gegenleistung verzichtet hat. Die Unterstützer*innen haben von uns zeitnah ihr Dankeschön oder eine Spendenquittung erhalten, wenn sie sich für diese Option entschieden haben.

Alle Unterstützer*innen haben von uns eine Dankeskarte erhalten. In der Dankeskarte haben wir auch zu unserem Sommerfest eingeladen. Dort konnte man die Tumblingbahn im Einsatz sehen.

Bei allen Unterstützer*innen haben wir uns persönlich per Dankeschön-Mail, einem Post auf unserer Instagram-Seite sowie mit einem Artikel auf unserer Homepage bedankt.

1. Wer war für die Umsetzung verantwortlich?

Projektleiterin Mariella Lüpfert mit Unterstützung des Trainer*innenteams der Turnabteilung und Thomas Raschper.

2. Kosten?

11 % der Fundingsumme als Verwaltungsgebühr/Servicegebühr. Diese fällt nur an, wenn ein Fundingprojekt erfolgreich abgeschlossen wurde (die Fundingsumme erreicht wird).

3. Beauftragter Dienstleister

fairplaid GmbH, Sophienstraße 26, 70178 Stuttgart

Welche Mehrwerte ergeben sich für den Verein?

Wir haben von einer Sonderaktion des DOSB profitiert. Für jede Unterstützer*in hat der DOSB 10 € dazu gesteuert. Bei insgesamt 132 Unterstützer*innen waren es am Ende 1.320 €.

Durch das Crowdfunding-Projekt sind Unternehmen auf uns aufmerksam geworden, die vorher kein Unterstützer des Vereins waren.

Das Projekt hat das Wir-Gefühl in der Turnabteilung gestärkt. Es hat für Zusammenhalt während der Corona-Pandemie gesorgt. Auch andere Abteilungen haben sich mit dem Projekt identifiziert. Es gab abteilungsübergreifend Unterstützer*innen.

Unser gutes Image hat sich weiter verbessert. Trotz Corona hat sich etwas in unserem Verein bewegt.

Welche Herausforderungen/Stolpersteine sind zu beachten?

Vor und während der Fundingphase muss man Vollgas geben. Man sollte alle Wege ausschöpfen, um das Projekt bekannt zu machen und zur Unterstützung aufzurufen. Lässt man hier die Zügel schleifen, ist der Projekterfolg gefährdet.

Man darf den Arbeits-/Zeitaufwand nicht unterschätzen. Die Aufmerksamkeit für das Projekt muss kontinuierlich aufrechterhalten werden. Die Werbung darf aber nicht zu penetrant sein.

Eine gute Vorbereitung ist das A&O. So hatten wir z.B. schon vor dem Start der Fundingphase einen Plan erstellt, wann wir was auf unseren Social Media-Kanälen posten.

Wie ist die Resonanz der Zielgruppen (Vereinsmitglieder, Sponsoren etc.)?

Die Resonanz bei den Mitgliedern und Unterstützern war durchweg positiv. Viele haben sich mit dem Projekt identifiziert und zu dessen Erfolg beigetragen.

Vertreter aus der Lokalpolitik und der Sportverwaltung haben uns auf das Projekt angesprochen und unsere Initiative gelobt.

Die örtlichen Tageszeitungen haben über das Projekt berichtet.

Praxistipps von Mariella Lüpfert und Thomas Raschper (so gelingt die Umsetzung):

Entscheiden Sie sich für einen seriösen Crowdfunding-Marktplatz-Anbieter. Mit dem DOSB und DTB hat fairplaid zwei bekannte Kooperationspartner, die viele unserer Unterstützer*innen kennen.

Lassen Sie sich beraten, bevor Sie eine Crowdfunding-Kampagne starten! Wir haben von den fairplaid-Mitarbeiter*innen viele hilfreiche Tipps bekommen.

Machen Sie Ihr Crowdfunding-Projekt bekannt, möglichst schon vor Beginn der Fundingphase.

Wählen Sie eine kurze Fundingphase, max. 30 Tage. Wir glauben, dass bei unserem Projekt 10 – 12 Tage ausgereicht hätten. Während dieser Phase müssen sie die Aufmerksamkeit für das Projekt aufrechterhalten. Suchen Sie das persönliche Gespräch mit möglichen Unterstützer*innen, wenn diese Ihre Sportangebote nutzen.

Legen Sie die Fundingphase nicht in die Ferien! Bei uns war die Resonanz während der Weihnachtsferien deutlich geringer als davor und danach.

Achten Sie darauf, dass die Crowdfunding-Plattform möglichst viele Zahlungsmöglichkeiten anbietet. Neben Überweisungen sollten z.B. Kreditkartenzahlungen oder Zahlungen per PayPal möglich sein.

Seien Sie mutig und werben Sie auch bei Unternehmen um Unterstützung, die keine Sponsoren des Vereins sind!

Versuchen Sie, ein Projektteam zusammenzustellen! Verteilen Sie die Last auf mehrere Schultern. So steht die Projektleitung nicht alleine da.

Unser letzter Tipp: Beim Crowdfunding hat man nichts zu verlieren und kann nur gewinnen. Man hat keinerlei Kosten, wenn das Projekt nicht zustande kommt.

Übrigens: Wir werden unseren Verein nächstes Jahr digital weiterentwickeln. Wir sind gerade dabei, eine neue, cloudbasierte Vereinssoftware zu implementieren. Wir wollen zukünftig papierlos arbeiten. Die Software wird den Verwaltungs- und Kommunikationsbereich abdecken. Ziel ist es z.B., dass im Verein und in Vereinsgruppen nicht mehr über WhatsApp kommuniziert wird, sondern über ein digitales Vereinsportal. Dort können die Mitglieder ihre Stammdaten demnächst selbst verwalten und Teilnehmer*innenlisten werden von den Kursleitungen digital geführt. Aktuell sind wir in der Testphase. Mitte nächsten Jahres wollen wir live gehen. Die Perspektiven sind sehr vielversprechend. Die Digitalisierung wird unsere Engagierten entlasten.

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Steckbrief TSV 1887 Schloss Neuhaus e.V.

Kontaktdaten:

Gründung des Vereins: 1887

Mitgliederzahl: 1675 (Stand: 30.09.2022)

Altersstruktur:

  • 0–18 Jahre: 807 (48,2 %)
  • 19–30 Jahre: 151 (9,0 %)
  • 31–40 Jahre: 187 (11,2 %)
  • 41–50 Jahre: 138 (8,2 %)
  • 51–60 Jahre: 148 (8,8 %)
  • über 60 Jahre: 244 (14,6 %)

Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Haupt-/Ehrenamt):

  • 5 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, 2 Freiwilligendienstleistende
  • ca. 150 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen

Vereinsangebote:

  • Hallenbosseln
  • Handball
  • Leichtathletik
  • Taekwon-Do
  • Tischtennis
  • Turnen
  • Fitness
  • Gesundheitssport
  • Rehabilitationssport

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